30.9.22

"Die Mediziner – Mord im Lockdown"

„Klassisches“ Theaterstück entwickelte ein Eigenleben

Eigentlich wollte die Mittelstufen-Theatergruppe Dürrenmatts Klassiker „Die Physiker“ auf die Bühne bringen. „Eigentlich“ – das bedeutet in dem Fall auch eine Zeitangabe: vor Corona. Dann ging bekanntlich erst einmal gar nichts mehr. Gar nich
ts? Dass das nicht stimmt, bewies die Gruppe letzte Woche in der Aula. Das Stück begann nämlich zusammen mit den Akteuren eine Eigendynamik zu entwickeln – Dürrenmatts Grundmotive und das Thema von der Verantwortung der Wissenschaft blieben das Gerüst, aber unweigerlich wurde daraus über mehrere Jahre (!) der immer wieder angelaufenen und ebenso oft gezwungenermaßen beinahe „im Sande verlaufenen“ Probenarbeit eine virologische Parabel: Statt Eingebungen von König Salomo erhielt das Schicksal der Protagonistin Johanna K. alias Möbius eine besondere Tragik durch ihre Visionen vom durch Verschwörungstheoretiker zu Fall gebrachten, eigentlich zum Menschheits-Retter auserkorenen Bill Gates. Statt Newton und Einstein irrlichterten die Herren Drosten und (Robert) Koch durch das Sanatorium, bei denen es sich in Wirklichkeit um die kongenialen Biologinnen und Medizinerinnen Siri L. (Franziska W.) und Alexa S. (Katinka H.) handelte. Die von Lehrkräften inspirierte Namenswahl ging dann so weit, dass aus Dürrenmatts Dr. Mathilde von Zahnd kurzerhand „Dr. H.“ und dem die Mordfälle am Institut mit gewisser Resignation hinnehmenden Inspektor Richard Voß – man ahnt es – der zum Vornamen passende Familienname aus der Schulchronik angedichtet wurde. Brillieren konnte in letzterer Rolle Korbinian H., der eine der schwierigsten Herausforderungen eines jeden Schauspielers auf beeindruckende Weise meisterte – „besoffen“ zu spielen und es tatsächlich nicht wie billigen Slapstick aussehen zu lassen. 

Lange hatte die Gruppe darauf – man möge das offensichtliche Wortspiel verzeihen – hingefiebert,  das Stück endlich vor einem Live-Publikum zur Aufführung bringen zu dürfen; selbst als die Plakate und Einladungen schon gedruckt waren, schlug das große „C“ nochmals zu, sodass man nicht mehr vor, sondern erst direkt nach den Sommerferien auftreten konnte, doch die begeisterten Reaktionen des Publikums ließen die Erinnerungen an alle Mühen und Fährnisse bei den Protagonisten sichtlich verblassen. Zusammen mit ihrem vielseitig engagierten Spielleiter konnten sie verdient statt in der Sommersonne unter den Scheinwerfern in Wogen des Applaus baden und die anerkennenen Worte und traditionellen Theaterrosen von der Schulleiterin entgegennehmen: „Spielfreude pur“ und eine beeindruckende Teamleistung hatten auch sie mitgerissen.